Aufgrund von Eigenbedarf kündigt eine Vermieterin ihrer Mieterin das Mietverhältnis nach 18 Jahren. Zum Kündigungszeitpunkt war die Mieterin 88 Jahre alt und lebte seit 1997 mit ihrem Ehemann in der Wohnung, der in der Zwischenzeit bereits verstorben ist. Das Ehepaar wies die Kündigung zurück und verlangt gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit (AZ VIII ZR 68/19). Den Widerspruch begründen sie mit dem Vorleigen eines Härtefalls hinsichtlich ihres hohen Alters und ihrer sozialen Verwurzelung. Auch gaben sie an, nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben, um neuen adäquaten Wohnraum zu finden.
Das Landgericht (LG) Berlin gab den Mietern Recht und wies die Räumungsklage ab. Vor allem das hohe Alter der Mieterin sei ausschlaggebend für die Anerkennung eines vorliegenden Härtefalls, auch wenn die Kündigung aufgrund von Eigenbedarf durchaus berechtigt sei. Wenn keine anderweitige Pflichtverletzung der Mieter vorläge, die zu einer Beendigung des Mietverhältnisses führen könnte, sei das hohe Alter als Härtegrund anzusehen und das Mietverhältnis zu verlängern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Urteil des LG auf und gibt den Rechtsstreit zur weiteren Prüfung an das Gericht zurück. Demnach sei lediglich die Angabe des hohen Alters der Mieterin kein entscheidender Grund für die Anerkennung des Vorliegens eines Härtefalls gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Ein Sachverständigengutachten soll Aufschluss darüber geben, wie tief die Verwurzelung im Einzelfall geht, beispielsweise unter Berücksichtigung der sozialen Kontakte oder der Teilnahme an sportlichen, kulturellen oder religiösen Veranstaltungen am Wohnort sowie der Beschaffung von Dingen des täglichen Bedarfs in der Umgebung. Im Grunde sei zu prüfen, welche Auswirkungen ein Umzug der Mieterin hätte, insbesondere in Bezug auf ihren Gesundheitszustand. Wenn neben dem hohen Alter und der Verwurzelung der Mieterin durch einen Umzug auch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands zu erwarten sei, sei es durch bereits vorhandene Krankheiten, könnte dies allein als Härtegrund ausreichen. Das tatsächliche Vorliegen eines Härtefalls ist im Einzelfall zu prüfen.
Quelle: BGH
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